Anno 2019 beteiligten sich mit sieben deutschen Startern bei den diesjährigen Weltmeisterschaften im Biathlon-OL rund um das finnische Lahti ist die seit Jahren geringste Anzahl für die Farben Schwarz-Rot-Gold zu verzeichnen. Ursachen zu erforschen, wird sicherlich noch Zeit verlangen. Tatsache ist auf jeden Fall, dass, da durchweg alle deutschen Biathlonorientierer zugleich auch aktiv im „normalen“ Orientierungslauf aktiv sind, der Zeitpunkt dieser Weltmeisterschaft sich – gelegen mitten in der Urlaubszeit – viele von ihnen bei anderen internationalen Großereignissen des OL „unterwegs“ waren bzw. – auch das gab es – simpel keinen Urlaub nehmen konnten. Somit war Deutschland, das sowieso auf absehbare Zeit nicht in die Nähe der führenden Biathlon-OL-Nationen aufschließen kann, mit den erreichten 4 Medaillen sowie den beiden TOP 6 Platzierungen in den Ergebnislisten präsenter als es an Starterplätzen vermuten ließ:
Zwei Mal Silber für Monika Braatz (Seniorinnen AK 60/IHW Alex 78 Berlin) und je einmal Bronze für Frank Braatz (Senioren AK 55 / IHW Alex 78 Berlin) und Bernd Wollenberg (Senioren AK 70 / Berliner TSC). Im Juniorenwettbewerb errang Tim Dalheimer (Berliner TSC) einen fünften Rang, Benno Schütz (ESV Lok Berlin-Schöneweide) erlief in seiner Seniorenkategorie H 35 Platz sechs beim Sprintwettbewerb. Im Hauptwettbewerb der Elite, zu der je Nation ein Limit von je 10 Damen und Herren vorgegeben ist, errang Sebastian Fleiß (Berliner TSC) einen 25. Platz beim Sprint und einen 27.Platz in der Klassikdisziplin. das deutsche Eliteteam im Staffelwettbewerb (Tim Dalheimer – Sebastian Fleiß – Benno Schütz) beendete die WM 2019 auf Platz 11, in der bereinigten Nationenwertung auf Platz 5.
Die Wettbewerbe fanden wie bereits erwähnt rund um Lahti statt. Lahti? Ja, richtig gelesen – Lahti. Untergebracht waren alle nahezu 200 Teilnehmer im finnischen Olympiazentrum und die Wettbewerbe führten uns in die aus vielen Wintersportberichten im Fernsehen bekannten Olympiasportgeländen. Allerdings sieht das aus dem „TV-Winter“ bekannte Gebiet im Sommer in Natura gänzlich anders aus. So „bastelten“ die Ausrichter lange herum, um uns allen die Orientierungsaufgaben „WM-gerecht“ zu erstellen. Für den ersten der drei Wettbewerbe, der „Klassikdisziplin“, transportierte der lokale Ausrichter alle Starter zum Start der ersten Teildisziplin des Klassikwettbewerbs, dem „Präzisionsorientieren“ (auch „Punkt-OL“ oder in den „IBOF-Rules „ auch „Location-Orienteering“ genannt) mit einem typischen Reisebus quer durch „den Busch“. Ob der Vermieter das vorher wusste, dass sein hochmoderner Reisebus auf Schotterpisten und Waldwegen eingesetzt wird, war bis zum Schluß nicht zu erfahren. Man fuhr uns quer durch das anfangs recht flache Gelände bis es „anfing“, O-technisch richtig interessant zu werden. Wie bei dieser einzigartigen Disziplin üblich, war einzig der Startpunkt auf der knapp drei Laufkilometer zählenden, im Gelände markierten Strecke, auf der „Blindkarte“ eingetragen. Die 10 auf dieser Bahn vorhandenen Kontrollposten (fünf direkt auf der Strecke, weitere fünf in „Sichtweiten“ zwischen 50 bis 200 m Entfernung von dieser Strecke) mussten nun entsprechend der Wettkampfbestimmungen der „Internationalen Biathlon-Orienteering Federation“ (IBOF – Rules) mittels Nadeleinstich exakt auf der Karte markiert werden. Jeder mm Abweichung bedeutet 1 Strafminute, 10 kann es je Posten maximal geben…, es „winken“ also im schlimmsten Fall 100 lange Zusatzminuten für das Gesamtergebnis… Diese markierte Route führte jeden der Teilnehmer durch ein durch Felsen, unzähligen Einschnitten und üppiger, typischer skandinavischer Untervegetation geprägtem Geläuf, die vollste Konzentration und zugleich taktisches und strategisches Vermögen abverlangte. Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit und schon „schwamm“ man im Gelände herum – und es gab kaum Möglichkeiten, sich dann wieder exakt einzulesen. Also war ein Tempo zu wählen, dass es gestattete, alle Informationen „zu verarbeiten“ und somit immer genau zu wissen, wo man sich nun befindet – das beim „Normal-OL“ durchaus richtige „Querlaufen bis zum Attackpoint“ geht bei dieser Spezialdisziplin nun mal gar nicht. Hinzu kommt, dass man gut beraten ist, mit seinen Kräften sorgsam Umzugehen, denn nach diesen 3 km folgen noch der „Lang-Orientierungslauf“ (je nach Startkategorie zwischen 3,8 km der Senioren AK 70 bis zu 11,8 km der Eliteherren), die beiden 10´ner Schießeinlagen (Liegend und Stehend), unterbrochen durch einen 1,2 km „kurzen“ weiteren Orientierungsparcours. Für jeden Fehlschuss werden übrigens zusätzlich noch zwei Minuten addiert, maximal also 40 Minuten obendrauf.
„Meine Bronzemedaille“ antwortete Bernd den fragenden schwedischen Trainern Hans Mandahl und Per Anden „erlief ich mir im ersten Teilabschnitt“ mit nur 4 von 100 möglichen „Strafminuten“. Beide, Hans wie Per, hatten bei internationalen Trainingslagern zwischen 2016 bis 2018, zu denen die schwedischen Biathlon-Orientierer speziell auch uns aus Deutschland eingeladen hatten, neben vielen praktischen Schießtrainings vor allem den Schwerpunkt auf eben dieses „Punktorientieren“ gelegt. Unser leider inzwischen verstorbener Freund Bo „Bosse“ Holmberg aus Göteborg hatte dazu schon 2015 bei ausgiebigen Trainings den Grundstein gelegt. Ihnen, also „Bosse“, Hans und Per sind unsere bisherigen Erfolge vor allem zu verdanken – sei en die vier Silber und die Goldmedaille von Sebastian während seiner Juniorenzeit und seine ständigen Verbesserungen im wesentlich härteren Feld der Elite, die guten Plätze von Marie Herrnhold oder eben auch meine Bronzemedaillen von 2018 und 2019. Dafür einfach mal ein dickes Danke an dieser Stelle! Vor Ort bedankte ich mich im Namen der deutschen Starter und des durch WWOP gesponserten neu gegründeten „Deutschen Verbandes für Biathlon-OL“ (DVBOL) dann auch beim schwedischen Verband in Persona Hans Mandahl mit einem speziellen Bildband über die schönsten Wandergebiete Deutschlands.
Zurück zur WM von Lahti und dem aktuellen „Punkt-OL“ dort. Von Anfang an muss wie erwähnt bei dieser Teilstrecke eigentlich jeder Schritt verinnerlicht werden – neben genauem Kartenlesen ist extrem wichtig, alle Techniken des Orientierens perfekt zu beherrschen, „Verschieben, „Verlängern“, „Aiming off“ … Einige der insgesamt knapp 200 Teilnehmer versuchten, in zügigem Tempo diesen ersten Teil abzuarbeiten und “sammelten“ entsprechend schnell dann auch etliches an Strafminuten. Sie liefen zwar über diese 3 Km dann in etwa 27 bis 40 min, hatten aber „dank des Addierens“ der Strafminuten dann recht schnell ein Teilergebnis von 80 oder 90 Minuten zusammen. Es war also gut beraten, wer sein Lauftempo so anpasste, dass jederzeit der eigene Standort auch fast Metergenau erkannt wurde. Meine Laufzeit betrug einschließlich dieser 4 „Zusatzminuten“ 1:08:25 Std… Die anschließende „Lang-OL“-Bahn war auf den kürzeren Bahnen leider fast nur entlang des im flachen OL-teil stark ausgeprägten Wegenetzes, das dabei hohe Lauftempo „garantierte“ dann beim Eintreffen am Schießstand auch sehr hohe Pulswerte, selten bei vorrangegangenen Biathlon-OL waren derart hohe Fehlerquoten aufgetreten. Angepasst an die Situation rund um das Schießgelände war dann die OL-Etappe zwischen den beiden Schießeinlagen eigentlich ein besserer Sprint-OL rund um diesen Bereich.
Somit war denn auch der Wettbewerb am Tag 2, man möchte fast sagen „wie befürchtet“ dann in unmittelbarer Nähe und somit um das Schießgelände einmal herum. Auch diesmal waren somit viele Fehlschüsse das Ergebnis des real überschnellen Wettkampftempos. Allerdings gab es für diese im Gegensatz zum Vortag dann statt „Strafminuten“ eben die berühmten, auch aus dem Wintersport bekannten „ Strafrunden“ – und diese „verlängerten“ dann bei sehr vielen Teilnehmern die anfänglichen kurzen Strecken schnell mal so um 250 bis 350 m je Fehlschuss. Gleiches galt dann auch für die Staffelwettbewerbe, bei denen einzig die bereits erwähnten deutschen Herren antraten.
Da die jährlichen Weltmeisterschaften für die Elitekategorien der Damen und Herren in die Weltcupwertung einfließen, sind die erlaufenen Plätze auch relevant für den aktuellen Weltcupstand. Nach diesen beiden Wertungsläufen der finnischen WM befindet sich Sebastian mit 50 erlaufenen Punkten im aktuellen Weltcup auf Platz 28, Nico Seegert (Berliner TSC, bei den WM nicht am Start) mit 17 Punkten auf Platz 52 und Frank Braatz, der die ersten drei Weltcupwettbewerbe im April und Mai in Dänemark, Finnland und Schweden in der Elite startete, mit 16 Punkten auf Platz 16.
P.S. Zum Weltcupfinale am 2. und 3.November in Dänemark (Gribskov nördl. von Nodebo) wird Deutschland traditionell wieder antreten. Gäste (OL´er, die sich im Biathlon-OL versuchen wollen) melden sich bitte bis 20.09., um etwas Vorbereitung machen zu können.
Text und Fotos: Bernd Wollenberg